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Anatomie – Modern oder bewährt? Lernende umworben.
So mögen wir das. Ein Buch mit farbigen Illustrationen, bunten anatomischen Schautafeln, einem festen Einband und möglichst günstig – das perfekte Lernbuch eben. Diese Attribute in einem Produkt versammelt sind in der medizinischen Verlagswelt eher selten zu finden. Anatomie-Wälzer kosten immens, und die Zeit, solche Standardwerke durchzulesen, ist rar gesät.

Thieme, Elsevier und Co. geben den Ton an. Umso mutiger ist die Neugründung eines kleinen Verlags, der mit einer überschaubaren Zahl von Fachbüchern seit einiger Zeit auf dem Markt präsent ist.

"Beschreibende und funktionelle Anatomie" heißt eine kürzliche erschienene Neuauflage im Kiener-Verlag. Kurt Tittel, der Autor, Anatomie-Papst in der früheren DDR, hat zusammen mit Egbert Seidel eine praktische Lernhilfe für Ärzte, Physiotherapeuten, angrenzende Heilberufe, Krankenpfleger und -schwestern geschaffen.

Mit "Grundlagen der Anatomie", "Stütz- und Bewegungssystem", "Angewandte Anatomie in Alltag und Sport" und "Organsysteme" sind vor allem Physiotherapeuten gefragt. Dabei gestaltet sich das Kapitel "Funktionelle Anatomie" praxisnah und anschaulich: Illustrationen werden anhand von "bewegenden" Menschen näher gebracht; die dabei arbeitenden Muskelgruppen der entsprechenden Extremität sind farbig dargestellt. Ein stures Auswendiglernen der Muskulatur muss hier nicht sein – vielmehr wird dem Leser sogleich klar, welche Muskelgruppen beispielsweise bei einem Sprint aktiv werden.

Diejenigen, die klare Grafiken der einschlägigen Fachbücher vorziehen, werden die anatomischen Bilder als eher unscharf und nicht auf den neuesten Stand erleben. Inhaltlich gestaltet sich das Buch jedoch korrekt und gemessen an dem günstigen Preis ist das Werk ein idealer Begleiter für den Physiotherapeuten mit einem mageren Geldbeutel.

Ganz modern dagegen gibt sich "KenHub", eine Lernplattform im Internet. Für neun Euro im Monat darf sich der Lernende durch die Lernkarten klicken und bekommt am Ende genau aufgezeigt, wie viel Prozent er erreicht und in welcher Zeit er die Lerneinheiten geschafft hat. Allerdings fehlt es an einer umfangreichen Datenbank, die beispielsweise ein Sobotta-Kunde zu schätzen weiß. Bei "KenHub" finden sich die wichtigsten und die größten Muskelgruppen – das kleinste Detail ist eher Fehlanzeige.

Fazit: Ja, man kann sicher schnell das Haar in der Suppe finden, wenn man den Mercedes gewohnt ist und plötzlich in einem Smart umher fährt. Sei es der Kiener-Verlag mitsamt eines neu geschaffenen Lehrbuches oder die neue Online-Lernplattform für den Elektronikfrunde sind sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Andere machen es besser. "Tittel" und "KenHub" aber sind alltagstauglich – und günstig zu erwerben.

physio.de, Berlin, 22.04.2013