Markus Mittmann über "Kommissar Mozart – Es muss nicht immer Mord sein" (Tom Ots)



Ein Kriminalroman? Diese Einordnung würde dem Roman gewiss nicht gerecht werden und auch nicht seine menschliche, philosophische und politische Dimension beschreiben, kaum zu glauben, was wir in diesem Buch alles erfahren.

Wir lernen nicht nur das „Kinderbuch-Vamperl“ kennen, das etwas vom Gift des Nichtverzeihens aus den Menschen saugt, sondern tauchen mithilfe der profunden Kenntnis des Autors ein in das Denken und Fühlen der „68 er“, dieser für die Entwicklung unserer Gesellschaft so wichtigen Bewegung. Und es fehlt auch nicht die Kritik an unserer modernen Spaßgesellschaft, die uns nur eine „geliehene Identität“ bietet und „genauso flach wie der Bildschirm“ wird.

Der Kommissar mit dem besonderen Namen ist, so wie die ganze Geschichte und ihre Gedankenwelt, ungewöhnlich und charmant und natürlich auch das Ende. Und doch geht es eigentlich um einen Bankraub mit Geiselnahme in Graz, diesen völlig undurchsichtigen Kriminalfall, in dem die vermeintliche Aussichtslosigkeit sehr schnell durch eine seltsame erste Spur aufgelöst wird und man sich beim Lesen unvermittelt in einer Spannung findet, die sich auch aus dem Mix von äußerer und innerer Handlung ergibt.

Kommissar Mozart lässt seine Verdächtigen erzählen und zieht daraus seine meist noch vagen Schlüsse, einfache Weisheiten „Nirgendwo gibt es mehr Gitarren als bei den Pfadfindern“ und tiefe Erkenntnisse „Wenn du nicht weißt, wo es längs geht, geh weiter.“ - Aber natürlich ist es in Wirklichkeit die Weisheit des lebenserfahrenen Tom Ots, die uns abwechslungsreich durch insgesamt 28 Kapitel führt. Geradezu liebevoll zeichnet er die Figur seines Kommissars, der heimlich Columbo bewundert und wie dieser an die Unvollkommenheit der Menschen glaubt, weshalb es auch kein perfektes Verbrechen geben kann. Ein Kriminalist, der noch mit Eingebungen arbeitet, muss eine natürliche Überlegenheit in einer Welt der modernen Ermittlungsmethoden besitzen. Kenntnisreich beschreibt der Autor auch die Verdächtigen, alle redegewandt und geschickt und vielleicht nicht zufällig Ärzte. Aber natürlich sollte man nur über etwas schreiben, das man wirklich kennt, übrigens auch ein Begleitmehrwert des Romans.

Letztlich wird Mozart gleichsam zu seinem eigenen Gegenüber, wenn er die Ermittlungen zu einer Art Suchwanderung, zu einem Erkenntnisweg gestaltet, der ihn von Graz und Wien nach Übersee in Bayern und von Berlin nach Hamburg führt. „Gute Gedanken kommen nun mal nur im Gehen und im Freien“, davon ist der Kommissar überzeugt. Manchmal werden seine Tagebucheinträge fast poetisch: „Gehen ist wichtig – und vielleicht Singen. Gehen und Singen. Und Spüren.“ In seinen Notizen verdeutlicht sich seine Philosophie, des Rätsels Lösung im Nichtwissen zu suchen, weil fragen nicht bedeutet, dass man nichts weiß. Auch ein Plädoyer für den Weg als Ziel. Zulassen, sich einlassen, etwas einfach einmal so stehen lassen. Die Lesenden bemerken, dass die mosaikartig vorgeführten Informationen unzusammen gesetzt ihren Sinn zwar nicht offenbaren, aber doch irgendwie alle miteinander zusammenhängen.

Und nicht nur deshalb ist dieser Roman so herrlich anders als übliche Kriminalliteratur. Hier kommt keine unangenehme Stimmung auf, man darf sich beim Lesen wohlfühlen und hört noch dazu, dass der Autor wohl österreichisch sprechen muss. Und dass er beim Schreiben schmunzelt. Beeindruckend reich an Ideen und Zeitbeschreibung, interessant und humorvoll ist der Text, der überall seinen Mehrwert zeigt und in allen seinen Dimension zum Weiterdenken anregt.

Markus Mittmann, Braunschweig im Juli 2021