Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin über "Beschreibende und funktionelle Anatomie" (J. Steinacker)

Tittel K

15. Auflage, Kiener-Verlag, 2012, 512 Seiten, gebundene Ausgabe, 59,95 Euro, ISBN 978-3-943324-10-5

Wenn ein Buch seit 1956 in der nunmehr 15.Auflage erscheint, weist es große Besonderheiten auf, die über Generationen hinweg reichen. Das Werk von Kurt Tittel zur beschreibenden und funktionellen Anatomie ist eine dieser für die Sportmedizin grundlegenden und fast revolutionären Publikationen, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind. 

Obwohl die Anatomie naturgemäß zuerst am toten Objekt des menschlichen Körpers entwickelt wurde, ist aus der Antike her schon Dagewesenes wie die Grundfunktion des Körpers, der körperlichen Aktivität, der Bewegung und dem Überleben dienen, bekannt. Die Verknüpfung mit der funktionellen Anatomie lag deshalb nahe, wobei die klassischen funktionellen Anatomen überwiegend die Körperfunktionen Sitzen und Gehen betrachten, sodass es am Ende des Zweiten Weltkrieges bei der Gründung der Deutschen Sporthochschule in Leipzig nahe lag, die Anatomie auf eine neue, funktionelle Grundlage zu stellen.

Dies hat der damals junge Dr. Tittel in revolutionärer Weise getan, in dem er ein Lehrbuch mit funktionellen anatomischen Bildern und den Gedanken von Bewegungsschleifen zusammengestellt hat. Gleichzeitig war es didaktisch klug aufgebaut und stellte über Generationen die Grundlage für das Studium von Sportwissenschaften dar. 

Die jetzige Neuauflage ist in 24 Kapitel gegliedert. Die Hauptabschnitte befassen sich mit den Grundlagen der Anatomie, dem Stütz- und Bewegungssystem, der angewandten Anatomie im Alltag und beim Sport, den Organsystemen. Zudem verfügt das Buch über einen ausführlichen Anhang. Schwerpunkt ist und bleibt die Anatomie des Stütz- und Bewegungssystems und die angewandte Anatomie im Alltag und Sport. Hier kommen die großen Stärken des Buches zur Geltung, insbesondere die klaren anatomischen Zeichnungen und Schemata, die die Anatomie begreifen lehren. 

Dem Buch ist eine Weiterentwicklung der Bildsprache zu empfehlen. Es wäre anzuraten, moderne bildgebende Verfahren, wie MRT und Sonographie in die Darstellung miteinzubeziehen.

Zwar findet sich eine Abbildung über die Rolle des myophaszialen Bindegewebes für den stützenden Halteapparat, hier gibt es aber viele und interessante Befunde, die in ein solches funktionelles Anatomiebuch eingearbeitet werden sollten. Im Bereich der Zellbiologie und Grundlagen gibt es Bedarf für eine Überarbeitung. Denn gerade in diesem Bereich, insbesondere in den Kapiteln zu Blut und Endokrinologie gab es im letzten Jahrzehnt viele neue Erkenntnisse, die zum Teil nur unzureichend eingearbeitet wurden. Insgesamt gehört dieses Buch in jede sportmedizinische Bibliothek. Es ist einbedeutendes Werk, trotz einiger Schwächen im zellbiologischen Bereich, die in einer Neuauflage dem unermüdlichen Kurt Tittel, dem Investor der Sportmedizin der DDR, vergönnt werden sollten. 

Jürgen M. Steinacker, UlmDeutsche Zeitschrift für Sportmedizin, Jahrang 64, Nr. 1 (2013)