1993_10_02Cordula Haux_C - page 5

Bielefelder Autorin Karin lrshaid las im Buchladen Eulenspiegel
,Zu
Gespenstern gemacht"
Von Iris Homann
Bielefeld.
Noch immer traut sich nie–
mand, offen uber den Konflikt zu
sprechen. Die Rede ist von ,dem ei–
genen Land", ,den Feinden", von
,der Heimat" und ,der anderen Sei–
te". Gesprache, in denen die, um die
es geht, nur zwischen den Zeilen ge–
nannt werden. ,lch habe schon
Schwierigkeiten gehabt bei der Ge–
schichte", gibt Karin lrshaid nach ih–
rer Lesung im Buchladen Eulenspiegel
zu. Zu tief sitzen die Schuldgefuhle
noch immer, als daB eine Deutsche
offen Partei ergreifen ki:innte im Streit
der Palastinenser gegen die Israelis.
,lch wollte nicht werten", erklart die
Bielefelder Autorin fast entschuldi–
gend. ,Doch gerade wir sollten se–
hen, daB das, was passiert ist, sich
nicht wiederholt - auf keiner 5eite."
Doch Karin lrshaids Thema ist kein
politisches in erster Linie. In ihrer
neuesten Erzahlung ,Das Hochzeit–
sessen" schildert die Autorin den All–
tag der Menschen aus Palastina. Mit
vielen kleinen Geschichten, die wah–
rend der Zubereitung eines Hoch–
zeitsmahls erzahlt werden, laBt sie
Begriffe wie Heimat, Vertreibung,
Fremdheit und Neuanfang lebendig
werden. Keine politischen Theorien,
sondern die alltaglichen Erfahrungen
der Menschen mit dem Krieg stellt die
Schriftstellerin in den Vordergrund.
Die Liebe der Menschen zu ihrem
Land, das sie ernahrt und das sie mit
den Handen begreifen ki:innen, ihre
alltagliche Arbeit, das Saen und Ern–
ten auf den Feldern und schlieBiich
der Verlust all dessen. ,Man. hatte ih–
nen den Namen genommen, damit er
in Vergessenheit geriet. Man hatte sie
zu Gespenstern gemacht. Anwesend
Abwesende in einem Geisterland",
schreibt lrshaid.
Ganz dicht geht die 56jahrige Schrift–
stellerin an ihre Figuren heran, um
die fast sinnliche Beziehung zu ihrem
Land zu begreifen, die sie in ebenso
sensiblen wie klaren Satzen be–
schreibt und so - nach eigenen Wor-
Die
Bielefelder
Schriftstellerin Ka–
rin lrshaid, foto–
grafisch gesehen
vor ihrer lesung
in der Buchhand–
lung Eulenspiegel.
lhre
Erzahlung
,Hochzeitsessen"
wurde im Marz/
April von dieser
Zeitung auf der
Feuilletonseite in
Fortsetzungen ab–
gedruckt.
Foto: Homann
ten fiktiv und autentisch zugleich
ein eindrucksvolles Bild uber die
Menschen und die Landschaft in Pala–
stina entwift.
Karin lrshaid: ,Das Hochzeitsessen", Fi–
scher Taschenbuch, 1996; 91 Seiten;
9,90Mark
Lesung im Buchladen Eulenspiegel/Bielefeld am 13.06.1996; Artikel in Neue Westfälische Zeitung vom 30.01.1996
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