1993_10_02Cordula Haux_C - page 34-35

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Dienstag, 9. Januar 2001
log die Besucher in den Rotenburger Kunstturm: Kiinstlerin und
Autorin Karin lrshaid.
Foto: Schulze
Lokales
Der Lebenssinn am Kiichentisch
Rotenburg (is). lm Kunstturm
war ,es so eng wie im Bunker
im letzten Weltkrieg". Die Be·
fiirchtung Rudolf Wieses, Initia–
tor von Kunstausstellung und
Lesung Karin lrshaids, unbe–
grundet, es konnten nur zehn
Besucher kommen, um dem
,Fest
fur
die
Sinne"
beizuwohnen.
Mag der Zugang
zu
Karin
Irshaids Bildem und Objekten
nicht immer leicht sein, in ih–
ren Bi.ichem ver-Wendet sie eine
klare, offene Sprache - natiir–
lich, eindeutig und ungekiin–
stelt. 1991 erschien ,Gilda",
1996 ,Das Hochzeitsessen",
1997 ,Licht und Zeit" und
1994 und 1998 beteiligte sie
sich an den Anthologien, ,Orte
hinterlassen Spuren" und ,Die
Phantasie ist eine Frau".
Am
Sonntag las Karin lrshaid.
aus ihrem Buch ,Das Hochzeit–
sessen", einer Erzahlung, in
der sie beweist, dass sie weder
als Mensch noch als Ki.instlerin
im Elfenbeinturm lebt.
Karin Irshaid lebt in verschie–
denen Kulturen, deren Eintli.is–
se aufeinander sie als ungemein
begli.ickend empfindet, deren
Vielfaltigkeit sie liebt, und de–
ren Ptoblematik sie nicht zu–
letzt auch zur politischen
Schriftstellerin gemacht hat.
Durch Heirat mit einem Pa–
lastinenser und haufige Besuche
wurden ihr orientalische Le–
bensweise und Kultur vertraut.
Im
,Hochzeitsessen" erzahlt
Karin Irshaid von der Zuberei–
tung eines iippigen orientali–
schen Mahls, von der Gemein–
samkeit der Frauen, denn ,viele
Entscheidungen des Lebens
werden am Kiichentisch ge–
fallt." Daraus ergeben sich
im–
mer auch Fragen, die das
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.. ··
~
Rotenbu.rg
:
Andreu Beckar
(abc)
. · R•daj(Jion • 72324
· e4nall:
allcOtmtiwgar-il..-.ltuflt.de ·
Menschsein an sich betreffen,
ebenso einfach wie komplex:
welches ist das Feindesland,
welches ist der rechte Glaube
und hat eigentlich jeder das
Recht auf Recht?
Wahrend der Zubereitung
des grofien Essens erzahlen die
Frauen erlebte und erfahrene
Geschichten, deren Allgemein–
gi.iltigkeit vor dem Hintergrund
des Palastinakonflikts erschiit–
tert, weil sie so selbstverstiind–
lich erscheint und doch nicht
ist.
,Die Geschichte andert sich
wie die Zeit", sagt Karin Irs–
haid, und das alte orientalische
Sprichwort ,Wer gemeinsam an
einem Tisch gesessen hat, kann
nicht mehr Feind sein", hat fur
sie eine tiefe Bedeutung. Kas–
sim, einer ihrer Helden, weiB:
,Das Feme ist ganz·nab und ei–
nes Tages... entfemt sich der
Mensch von der Zeit des alten
Landes und schreitet in die Zeit
·des neuen Landes..., denn .die
Zeit hat
ihn
geduldig gemacht.
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