Neue Westfalische, Nr. 210
        
        
          Donnerstag, 10. September 1998
        
        
          
            Autorin Karin lrshaid in der Gesamtschule
          
        
        
          
            Mut und Ohnmacht
          
        
        
          Von Rolf Birkholz
        
        
          
            G ii t er sI oh . Der Konflikt zwischen
          
        
        
          Is–
        
        
          
            raelis und Palastinensern hat verschlun–
          
        
        
          
            gene Wurzeln. In beiden Lagern gibt es
          
        
        
          
            Krafte, die ihn wachsen lassen und dann
          
        
        
          
            einseitig entscheiden wollen. Ein
          
        
        
          ge–
        
        
          
            rechter Friede scheint zur Zeit wieder
          
        
        
          
            weit entfernt. Zumal den gegeniiber den
          
        
        
          
            juden schuldbewuBten Deutschen
          
        
        
          
            fallt
          
        
        
          
            es schwer, die Lage angemessen zu be–
          
        
        
          
            urteilen. Die Bielefelder Schriftstellerin
          
        
        
          
            und Kiinstlerin Karin lrshaid, deren Ehe–
          
        
        
          
            mann aus Palastina stammt, schaut ent–
          
        
        
          
            sprechend auf die Palastinenser, denen
          
        
        
          
            bislang kein eigener Staat zuerkannt
          
        
        
          
            wird. Die Autorin war jetzt Cast der
          
        
        
          
            Anne-Frank-Gesamtschule.
          
        
        
          Dort las sie auf Einla"dung der Arbeits–
        
        
          gemeinschaft lsraei/Palastina aus ih–
        
        
          rem 1996 erschienenen Buch ,Das
        
        
          Hochzeitsessen - eine literarische
        
        
          Reise nach Palastina". Darin erzahlt
        
        
          wahrend der Zubereitung eines
        
        
          Hochzeitmahles die Kochin einer an–
        
        
          deren Frau Geschichten aus ihren
        
        
          Volk . Um die Auseinandersetzungen
        
        
          zwischen Israelis und den zum Teil
        
        
          muslimischen, zum Teil auch christli–
        
        
          chen Arabern auf eine allgemeinere
        
        
          Ebene zu heben, werden die Volker
        
        
          nicht beim Namen genannt; doch es
        
        
          ist klar, wer jeweils gemeint ist.
        
        
          Die rund 40 Zuhorer erfuhren zum
        
        
          Beispiel, wie ein alter palastinensi–
        
        
          scher Bauer den Beginn des Sechs–
        
        
          Tage-Krieges 1967 erlebt. Erst nur ein
        
        
          kleiner dunkler Punkt, schiebt sich
        
        
          das Unheil in Gestalt eines Panzers
        
        
          ganz langsam ins fruchtbare Tal. Der
        
        
          Gro~vater
        
        
          versteckt seine Familie,
        
        
          baut sich eine Verteidigungsstellung
        
        
          zurecht und stellt sich mit seiner alten
        
        
          Flinte den Eindringlingen entgegen:
        
        
          Ein Bild verzweifelten Mutes und zu–
        
        
          gleich der Ohnmacht, das vielleicht
        
        
          die Seele des palastinenischen Volkes
        
        
          pragt.
        
        
          Eine andere Erzahlung schildert, wie
        
        
          Touristen in Bussen durch die ,blu–
        
        
          henden Landschaften" der israelisch
        
        
          besetzten Gebiete gefahren werden.
        
        
          Hier wachst und grunt es, dort, bei
        
        
          den Palastinensern, verkrustet das
        
        
          Land. Diese Art Propaganda ver–
        
        
          schweigt,
        
        
          da~
        
        
          die israelischen Siedler
        
        
          ihren arabischen Nachbarn das Was–
        
        
          ser abgraben. ,Das Wasser ist das
        
        
          Kernproblem", sagt Karin lrshaid, ein
        
        
          Machtfaktor im alltaglichen Leben.
        
        
          Die Araber jener Region haben Erfah–
        
        
          rungen mit fremden Machten, mit
        
        
          den TLirken und den Briten. Doch
        
        
          hatten die fruheren Besetzer Land,
        
        
          Hauser und Wurde unangetastet ge–
        
        
          lassen,
        
        
          hei~t
        
        
          es in einer weiteren Epi–
        
        
          sode aus dem Buch. Die Israelis je–
        
        
          doch bauen Hauser, pflanzen an und
        
        
          zeigen so,
        
        
          da~
        
        
          sie bleiben wollen.
        
        
          Von ihren vielen Besuchen in Palasti–
        
        
          na
        
        
          wei~
        
        
          Karin lrshaid,
        
        
          da~
        
        
          besonders
        
        
          die Jugend, die weder Frieden noch
        
        
          Demokratie kennengelernt habe,
        
        
          weitgehend hoffnungslos sei, sich ge–
        
        
          demutigt und verlassen fuhle. Des–
        
        
          halb sei es gerade jetzt wichtig, wah–
        
        
          rend der
        
        
          Friedensproze~
        
        
          wieder ein–
        
        
          mal stockt, Kontakt auch zu palasti–
        
        
          nensischen Jugendlichen zu suchen.
        
        
          Das wollen Schulerinnen und Schuler
        
        
          der Anne-Frank-Schule auf einer Be–
        
        
          gegnungsreise nach Israel und Palasti–
        
        
          na in diesem Monat tun.
        
        
          
            Die Bielefelder Autorin Karin lrshaid (links) sprach in der Anne-Frank-Schule
          
        
        
          
            iiber die Lage der Palastinenser im Konflikt mit Israel, rechts Oberstufenleiterin
          
        
        
          
            Marita Kappler.
          
        
        
          
            Foto: Birkholz