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Vorwort
zur zweiten deutschen Auflage
Die Erkenntnis der Bedeutung von Neurorehabilitation verbreitet sich immer mehr! Die
Folge ist: Vielerorts werden Ausbildungen auf diesem Fachgebiet angeboten. Doch für den
Interessierten wird es bei dieser rasanten Entwicklung immer schwieriger, bei dem mittler-
weile breiten Angebot von Kursen, ja man kann fast von Wildwuchs sprechen, die Spreu vom
Weizen zu trennen.
Ein erfreulicher Aspekt bei der ganzen Sache: Auch in der klinischen Praxis setzt sich diese
Tendenz durch: Neue Abteilungen für kognitive und Verhaltensrehabilitation werden errichtet,
Prinzipien des „therapeutischen Milieus“ werden konkret ausgearbeitet, edukative Programme
angeboten und Arbeitsteams gebildet.
Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Beweise für die Plastizität des Gehirns publiziert
werden, nimmt auch das Interesse für die Neurorehabilitation in den Nachbarwissenschaften zu:
Restitutionsprozesse werden mit verschiedenen Lernparadigmen in Zusammenhang gebracht
und ihr Einfluss auf Art und Umfang der plastischen Veränderungen untersucht. Wie nie zuvor
gehen Plastizität, Restitution und Lernen jetzt Hand in Hand. Eines ist für mich jedenfalls deut-
lich geworden: Auf dem Gebiet der Neurorehabilitation liegen die Möglichkeiten der klinischen
Anwendung der Neurowissenschaften zum Greifen nahe.
Die Vorauflagen dieses Buches haben versucht, das Fachgebiet überschaubar zu machen, und sind
in diesem Vorhaben gut angenommen worden. Auch die vorliegende Edition will diesen Beitrag
leisten, den Interessierten an das Gedankengut der Neurorehabilitation heranzuführen und die
Informationsfülle zur besseren Gesamtschau zu strukturieren. Zusätzlich wurde der grundlegen-
de Wissensstand mit den neuen Forschungsbefunden aktualisiert.
Aufgrund meiner persönlichen Erfahrung aus der Praxis habe ich in diesem Buch einige Akzen-
te gesetzt auf Aspekte, die meines Erachtens eine besondere Beachtung verdienen. Diese Schwer-
punktsetzung bezieht sich auf
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die Bedeutung eines jeweils individuellen Ansatzes schon bei der Problemanalyse und letzt-
lich bei der Behandlung;
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die Betonung der bio-psycho-sozialen Perspektive: Die Neurorehabilitation ist nicht eine nur
medizinische Angelegenheit − die Rolle der Umgebung und des individuellen Kontextes ist
von eminenter Bedeutung.
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die Erkenntnis, dass für viele Patienten der Schritt aus der Reha-Institution in das „wirkliche“
Leben oft zu groß ist, dass die in der Klinik erreichten Fortschritte keine Entsprechung im
Alltag finden, dass viele Rehabilitanden Probleme haben, wenn sie nach der Entlassung aus
der Klinik versuchen, an ihr früheres Leben wieder anzuknüpfen, sei es in Bezug auf Arbeit,
Familie oder Hobby.
●●
die sogenannte Edukation: Laien, sowohl Betroffene wie auch Angehörige, haben oft keine
oder eine falsche Vorstellung über das Funktionieren des Gehirns und die Folgen einer Hirn-
schädigung; hier kann schon reine Aufklärung Wunder wirken, wenn sie die Erwartungen auf
ein realistisches Niveau bringt.
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