1993_10_02Cordula Haux_C - page 20-21

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Karin Irshaid in der Bunder Stadtbucherei:
::-;~~~
>>Klischees aus .der Welt schaffen<<
B
ii
n de (iise). >>Wenn man erst gemeinsam an ei–
nem Tisch gesessen und ein Mahl zu sich genommen
hat, kann man kein Feind mehr sein«·. Ein arabisches
·Sprichwort, das wie ein Leitfaden die Kapitel des
Buches »Das Hochzeitsessen« durchliiuft. Karin Irs-
haid, die Verfasserin des Buches, wullte am Dienstag–
abend in der Stadtbibliothek mit sonorer Stimme
und lebhaften Schilderungen zu iiberzeugen, der Be–
sucher fiihlte sich regelrecht hineinversetzt in die ur–
wiichsige Romantik orientalischer Uinder.
D
ie Bielefelderin Karin Irshaid,
die Malerei und Kunstgeschich–
te studiert hat und seit ihrer Kind–
heit Geschichten verfaBt, ist mit ei–
nem Palastinenser verheiratet und
hat lange Zeit auf palastinensischem
Gebiet gelebt. Ihr liegt es am Herzen,
die so zahlreich vorhandenen Kli–
schees iiber ein eigentlich sehr lie–
benswertes Volk mehr und mehr aus
cier \Velt -zu schaffcii. Ih:e
~~fi.szio~
sei es, so betont sie, die »andere, im
Dunkeln, jenseits der Vorstellungen
liegende Sache<< zu beleuchten.
Ein besonders schlimmes Vorurteil
sei, erklarte die Autorin, die Palasti–
nenser als »Terroristenvolk<< zu be–
schimpfen. Dabei wiinschten sich
diese Menschen nichts weiter als ein
friedliches Nebeneinander. Frauen
wiirden als die Seele des Volkes gel–
ten, sie besaBen.viel Macht, gleich ob
als Hausfrau, Berufstatige oder Stu–
dentin. Das soziale Netz sei die Fa–
milie, Traditionen wiirden besonders
graB geschrieben.
Der im Buch beschriebene Hoch–
zeitstisch mit opulentem Essen, an
dem verschiedene Menschenrassen
Platz nehmen, ist eigentlich noch ei–
ne Vision des Friedens zwischen Is–
raelis und Palastinensern, da die
Idee zu der Erzahlung noch vor den
Friedensgesprachen entstand. Zu–
mindest ,die Hoffnung auf ein Zu-
Karin lrshaid
sammenfinden grundverschiedener
Ideate und auf Anerkennung der je–
weils anderen Traditionen soll im–
mer so farbig bleiben wie das satte
Griin idyllischer Landschaften und
das Rot fruchtbarer Erde. Vielleicht
gabe es irgendwann die Mi:iglichkeit,
den Frieden gemeinsam zu ••ernten<<
- auf den groBen Erdbeerplantagen,
den Tomatenbeeten oder van den
Olivenbaumen, die das Land, sei es
israelisch oder arabisch, als Frucht–
barkeitssymbole
charakterisieren.
Allerdings scheint der Weg auch
heute noch weit, bis daB »das neue
Licht den Tag verkleidet<<, wie es
Karin Irshaid sehr poetisch aus–
driickt.
»Das Hochzeitsessen<< beinhalte
arabische Koch- und Backrezepte,
die zur Nachahmung empfohlen sei–
en, so die Autorin. Bei den Palasti–
nensern gabe es nur erntefrische
i.E:–
bensmittel, auch das Brotbacken
oder die Zubereitung van Butter und
Kase wiirde »per eigener Hand<< er–
folgen. In den Schilderungen des Bu–
ches finden fiktive und auch reale
Personen ihren Platz, Erzahlungen
sind visionell und wirklichkeitsnah.
Da gibt es zwei Cousins, die gemein–
sam mit dem Brautpaar, einer Jiidin
und einem Moslem, an der bezeich–
neten Hochzeitstafel -sitzen und Ge–
schichten erzahlen aus der Zeit, wo
noch die Fremdherrschaft Wider–
stand, der Terror Gegenterror er–
zeugte. · Der ••schwarze Pfeil<< der
Feindschaft saBe bei vielen vom
Krieg Betroffenen noch immer tief
im Bauch. Deshalb gabe es nichts
Sinnvolleres als weitere Friedens–
verhandlungen, damit der Friede
endlich die Waffen vernichte und
man sagen konne: >>Die Nacht war
alt. Sie war ins Meer gefallen<<.
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